Unterkapitel 2.2.

2.2. Der 9. Mai 1950
Durch den Marshall-Plan gewann Europa erste Einsichten in eine wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zunächst spielten auch noch die Briten eine Rolle bei einer Integration Europas, doch allmählich gerieten sie, aufgrund mangelnden Einsatzes ins Abseits. Ihnen wurde die Führungsrolle abgenommen und anstelle des Inselstaates nahm diese Frankreich in Anspruch. Zuerst glaubte man, dass eine Einigung Europas ohne Großbritannien nicht möglich sei, doch Robert Schuman belehrte alle eines besseren, indem dieser im Mai 1950 eine Zusammenlegung der Kohle- und Stahlindustrien Frankreichs und Deutschlands vorschlug.

Am 9. Mai 1950, einem Dienstag um 18 Uhr Pariser Ortszeit machte Robert Schuman seinen Kollegen bei einer sehr kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Uhrensaal des Quai d’Orsay, dem französischen Außenministerium, eine sehr interessante Mitteilung. „Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion unter eine gemeinsame Hohe Behörde zu stellen, in einer Organisation, die den anderen europäischen Ländern zum Beitritt offensteht.“ Diese Aussage Schuman’s sollte die Grundsteinlegung einer europäischen Einigung im 20. Jahrhundert sein. Ein wesentliches Ziel des Planes war ein gemeinsamer Markt im Bereich von Kohle und Stahl sowie die Befreiung von jeglichen Zollpflichten, also war diese Idee vor allem wirtschaftlicher Natur. Das zweite Ziel war eher ein politisches, und bezog sich auf eine Aussöhnung Frankreich-Deutschland. „Das begonnene Werk muss in erster Linie Deutschland und Frankreich erfassen“.
Aber nicht nur das, der Plan sollte gleichzeitig auch den Frieden in Europa sichern sowie, „[…] die Verwirklichung einer seiner wesentlichsten Aufgaben verfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Erdteils.“ Man sieht, dass sich Jean Monnet nicht nur Gedanken über Europa gemacht hat, sondern schon vorausblickend, wenn Europa seine wirtschaftliche und politische Stabilität erreicht hat, bei der Entwicklung des afrikanischen Kontinents zu helfen. Laut Knipping waren für die Entstehung und Entwicklung des Schuman-Plans vier Faktoren wesentlich: eine Aufforderung der USA an Frankreich, eine krisenhafte Zuspitzung des deutsch-französischen Verhältnisses im Frühjahr 1950, das konzeptionelle Genie Jean Monnets und die politische Entschiedenheit Robert Schumans. Diese Entschiedenheit spiegelt sich vor allem in der Tatsache wider, dass es der Außenminister mit der Mitteilung sehr eilig hatte und keine Zeit verlieren wollte. Die Pressekonferenz war so kurzfristig angesetzt, dass es die Journalisten nicht mehr rechtzeitig in den Quai d’Orsay schafften. Deshalb musste man die Situation im Uhrensaal einige Monate später nachstellen, um auch der Nachwelt von diesem historischen Tag in der europäischen Geschichte ein Bild zu übermitteln. Es kamen rund 200 Fotografen und Vertreter des Rundfunks.

International gesehen bekam der Schuman-Plan sehr gute Kritiken, vor allem von Seiten der Vereinigten Staaten von Amerika. Der damalige Präsident der USA, Harry S. Truman begrüßte die eilige Tat Schumans, die hier natürlich in einem mehr als positiven Kontext steht. Truman hielt weiters fest, dass die Integration Europas eines der wichtigsten Ziele des Marshall-Plans war. Von diesem Zeitpunkt an bringt man den Schuman-Plan immer in Verbindung mit Wörtern wie Einigung, Integration, Gemeinschaft, und allen anderen Synonymen für diesen Begriff. Gleichzeitig distanzierte man sich von der amerikanischen Politik und machte sich sozusagen, mehr oder minder mit Fortdauer der Jahre immer unabhängiger.
Sicher lässt sich bei genauerer Betrachtung der Umstände, wie es zu der der Umsetzung der Ideen für eine erste westeuropäische Einigung im Mai 1950 gekommen ist Kritik üben, vor allem an der Tatsache dass der eigentliche Entwickler Jean Monnet zumeist außen vor gelassen wird und immer nur der Name des französischen Außenministers auftaucht. Monnet war der Initiator, der Mann der die Gedanken und Vorschläge für die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlindustrien und in weiterer Folge zu einer Aussöhnung der beiden Länder Deutschland und Frankreich hatte, diese zu Papier brachte und schlussendlich Schuman gab,
der sich seiner Konzepte sofort annahm. Doch muss man auch festhalten dass Robert Schuman derjenige war, der ohne großes Zögern diesen Überlegungen nachging und sie in die Tat umsetzte, das heißt weiters dass er jener Mann war, der die Theorie in die Praxis brachte, ohne lange zu fackeln. Natürlich war es ein Sprung ins Ungewisse, doch in der Politik muss man oft diesen Schritt wagen, damit man zu Ergebnissen kommt. Bewundernswert ist auch die Reaktion des französischen Politikers bezüglich der geringen Anteilnahme Großbritanniens. Er ließ sich von dem Gedanken, dass es ohne das Königreich möglicherweise nicht zu einer europäischen Einigung kommt nicht abschrecken, und folgte weiter seinem Instinkt. Im Grunde genommen muss man beide Personen dafür verantwortlich machen, dass es zu einem erfolgreichen Integrationsprozess in Europa gekommen ist und in weiterer Folge zu vielen anderen Projekten, zur Gründung der Europäischen Union bis hin zur Osterweiterung sowie der Aufhebung der Grenzen durch das Schengen-Abkommen aus heutiger Sicht.

Brunn, Gerhard: Die Europäische Einigung von 1945 bis heute, Stuttgart 2002

Fondation Robert Schuman: Web-Projekt, Fondation Robert Schuman (Dir.). http://www.robert-schuman.org/declaration_9mai.php

Herbst, Ludolf: Die Zeitgenössische Integrationstheorie und die Anfänge der Europäischen Einigung 1947-1950, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 34 (1986), S. 161-205

Knipping, Franz: Rom, 25. März 1957 - Die Einigung Europas, München 2004

S3

Einführung in die wissenschaftliche Wissens- und Textproduktion

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