Unterkapitel 2.3.

2.3. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Es ließ nicht sehr lange auf sich warten, bis auf Basis des Schuman-Plans das erste große Projekt verabschiedet wurde, denn die Absichtserklärung der französischen Regierung erwies sich als Treffer ins Schwarze, um endlich konkrete Vorhaben umsetzen zu können. Der erste internationale Vertrag war die Unterzeichnung des EGKS-Vertrags, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Deutschland und Frankreich schlossen sich vier weitere Länder an: Italien und die Benelux-Staaten Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Die Außenminister der 6 Staaten unterzeichneten am 18. April 1951, nicht einmal ein volles Jahr nach der Veröffentlichung des Schuman-Plans die Verträge. Die Verhandlungen, welche schlussendlich zur EGKS führten erwiesen sich jedoch als enorm schwerfellig und schwierig. Schuman hatte es wie immer relativ eilig und zum ersten Mal war auch Monnet der gleichen Meinung, den Vertragsabschluss schnell hinter sich zu bringen. Schuman hat zu einer Konferenz für den 20.6.1950 geladen. Teilnehmer waren Italien, Deutschland, die Benelux-Staaten und Frankreich. Auch die Briten wurden eingeladen, lehnten dies aber binnen kürzester Zeit ab. Die britische Regierung war wütend, dass keine Informationen zu ihnen durchgesickert sind und weiters sprachen sie sich gegen eine Hohe Behörde im Sinne Monnets und des Schuman-Plans aus. Der französische Außenminister und sein Mitarbeiter hatten die gleiche Auffassung, dass mit einem Beitritt Großbritanniens die Ideen und Methoden zerstört werden würden und deshalb verzichtete man nun auf den Inselstaat.
Die Schuman-Plan-Konferenz fand am 20. Juni 1950 wieder im Uhrensaal des französischen Außenministeriums im Quai d’Orsay statt, 60 Mitglieder der Delegationen waren anwesend. Jede Delegation stellte einen Delegationsleiter. Für Frankreich wurde dieser Job Jean Monnet zugeteilt. Erörtert wurden die Grundgedanken für eine europäische Integration, dabei konzentrierte sich der französische Delegationsleiter vor allem auf die Idee einer supranationalen Gemeinschaft der 6 Staaten. Oberstes Diskussions- und Verhandlungsthema war die Struktur und Organisation der Montanunion sowie die Hohe Behörde, die im Französischen als „haute autorité“ bekannt ist. Die meisten teilnehmenden Regierungen waren mit dem Kontrollorgan nicht einverstanden. Man befürchtete unkontrollierte Transfers der Souveränität an überstaatliche bzw. übernationale Einrichtungen. Vor allem die Niederlande und Belgien äußerten hierbei Kritik. So entstand allmählich der Ministerrat, der jedoch im Endeffekt wenig Entscheidungsbefugnisse aufzuweisen hatte.

Das Konzept, zumindest jenes auf politischer Basis wurde im Dezember 1950 so gut wie fertig gestellt. Die Verhandlungen dauerten aber noch an, da es noch offene Fragen zum Saarbergbau und zur Ruhrindustrie gab. Man wollte eine Kartellbildung innerhalb der Montanunion verhindern und deswegen band man die Ruhrbehörde zur Hohen Behöre mit ein. Die Schuman-Plan-Konferenz endete am 19. März 1951. Die noch offenen Besprechungspunkte wurden zwischen den Regierungen selbst geregelt, z.B. die Frage nach der Führung. Deutschland und Frankreich sollten in allen Bereichen der Gemeinschaft völlige Gleichheit erfahren, und zu zweit an oberster Position stehen. Doch die Benelux-Staaten und Italien sträubten sich gegen ein deutsch-französische Führungsduo. Daraufhin wurde beschlossen, dass die Hohe Behörde 9 Mitglieder enthalten sollte, die jeweils für 6 Jahre ihre Arbeit verrichten. Ein Mitglied aus jedem teilnehmenden Land und je ein Mitglied zusätzlich für Deutschland und Frankreich, sowie eine unabhängige Person, also ohne Ansehen der Nationalität. Weiters wurde die Organisation eines Gerichtshofes beschlossen. Jedes Land sollte einen Richter stellen, eine 7. wurde dann anschließend noch dazu gewählt.
Die Verträge wurden am 18. April 1951 wiederum im Uhrensaal des Quai d’Orsay unterzeichnet. Prunkstück des Projektes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz gesagt Montanunion, war die Hohe Behörde. Die Union war von den Mitgliedsstaaten finanziell unabhängig, da sie internationale Kredite aufnehmen konnte. Die wichtigsten Angelegenheiten der haute autorité waren die Organisation eines gemeinsamen Marktes im Bereich der Schwerindustrie von Kohle und Stahl, ein geregelter Wettbewerb, niedrige Preise sowie die Modernisierung der Produktionsstandorte.

Bis zur endgültigen Ratifizierung der Verträge dauerte es aber noch knapp ein Jahr. Während die Stahlindustriellen in Deutschland, Italien und der Niederlande abwarteten, kritisierte man in Luxemburg, Belgien und Frankreich die Gefahr einer dominierenden Rolle Deutschlands - sowie auch schon vor der Veröffentlichung des Schuman-Plans im Mai 1950 – um die Anerkennung der Verträge hinauszuzögern. Auch die SPD in Deutschland war dagegen. Knipping zeigt hier die Gründe vom Vorsitzenden der SPD Schumacher auf: Verhinderung einer Sozialisierung im Ruhrgebiet, Nichtteilnahme Englands, Gefahr einer Hegemonialstellung Frankreichs, Begrenzung der Integration auf den Montansektor, deutsche Unterrepräsentierung in den Institutionen der EGKS, unerträglich große Befugnisse der Hohen Behöre und Erschwerung der deutschen Wiedervereinigung. Am 11. Januar 1952 war jedoch auch in Deutschland die Mehrheit für den Vertrag. Einzig und allein in Frankreich gab es zu diesem Zeitpunkt noch einige kleine Probleme. Die Gaullisten gingen gestärkt aus den Parlamentswahlen vom 17. Juni 1951 hervor, sie waren es auch die meinten, dass eine Gefahr einer Dominanz Deutschlands besteht, weiters wurde auf eine Verschlechterung des Verhältnisses zum Osten Europas hingewiesen. Am 2. April 1952 sprach sich die Mehrheit der französischen Regierung für den Vertrag aus. Daraufhin folgte die Zusammensetzung der Hohen Behörde und des Gerichthofs. Ein Problem galt es aber noch zu lösen, und zwar die Frage nach dem Sitz der Hohen Behörde und des Gerichthofs. Man einigte sich schlussendlich auf Luxemburg als Sitz der Hohen Behörde und Straßburg als Sitz des Gerichthofs. Nach langem hin und her wurde die Montanunion am 23. Juli 1952 offiziell gegründet. Die Hohe Behörde fing am 10. August 1952 an zu arbeiten. Der erste Präsident der Institution war niemand geringerer als Jean Monnet, der im Grunde genommen neben Robert Schuman einer der Wegbereiter der EKGS war.

Knipping, Franz: Rom, 25. März 1957 - Die Einigung Europas, München 2004.
Schmale - 9. Jan, 15:17

Schmale

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es ist wahrscheinlich langweilig, ich muss mich immer...
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die Einleitung klingt jetzt sehr rund, ok!
Schmale - 21. Jan, 20:36

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